In Sachen leichte und einfache Sprache

Gestern Abend hatte ich über die neue Kategorie in diesem Blog geschrieben und für einen Artikel in meinem Blog leicht erzählen und schreiben geworben.

Eben kam mir vom Spaß am Lesen Verlag folgende Ausschreibung für einen Literaturwettbewerb zu.

Den Mailtext stelle ich in diesen Beitrag ein.

Bei der Lektüre kamen mir die Fragen wieder in den Sinn, mit denen ich mich bei der Erstellung meines Blogs beschäftigt habe.

Wer schreibt Texte in leichter und einfacher Sprache?
Warum kommen Menschen, die in leichter und einfacher Sprache zuhause sind, oft nicht selbst zu Wort?
Wie Können wir die Menschen fördern, die leichte und einfache Sprache nutzen, damit sie in eigener Sache Texte schreiben?

Was mir dazu durch den Kopf geht, davon schreibe ich in der nächsten Zeit mehr.

Aber hier kommt jetzt die Ausschreibung.

Liebe Grüße

Paula Grimm

Liebe Abonenntinnen und Abonnenten,

Am 23. April ist Welttages -aber nicht für alle!

Denn über 6 Millionen Erwachsene in Deutschland haben Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben. Sie bleiben ausgeschlossen.

Diese Menschen brauchen Texte, die sie wirklich verstehen können. Vor allem Bücher auf A1-Niveau helfen Lese-Beginner:innen dabei, Einstiegshürden zu überwinden.

Deshalb sind Autor:innen für diese Bücher wichtig –

Und genau diese Menschen suchen wir!

Hier finden Sie unsere offiziellen Teilnahmebedingungen!
Die Vorgaben im Überblick:

🔹 Einfache, alltagsnahe Geschichten

🔹 Sprache: A1-Niveau, angelehnt an Leichte Sprache

🔹 Umfang: max. 2.000 Wörter

✉️ Einsendung als Word- und PDF-Dokument an: info

Zur Orientierung kann ein Auszug aus dem Buch „Ein Tag im April – Jiang tanzt“ genutzt werden. Das ist eine Geschichte in Einfacher Sprache bzw. Leselevel 1.

Hier finden Sie das Buch „Jiang tanzt“!
Darum lohnt es sich, mitzumachen:

Die drei besten Texte werden von unserem Verlag veröffentlicht.

Außerdem gibt es ein Preisgeld zu gewinnen.

(Gewinnertext: 250 €, zweit- und drittplatzierter Text: jeweils 100 €)

Unser Ziel:

Neue, alltagsnahe Geschichten zu finden, die Lese-Beginner:innen motivieren und so den Einstieg ins Lesen erleichtern.

Denn wir möchten Bücher für alle zugänglich machen.

Machen Sie mit & werden Sie kreativ – damit wir gemeinsam noch mehr Menschen den Spaß am Lesen ermöglichen können.

Wir sind gespannt und freuen uns auf viele kreative Einreichungen!

Ihr Team vom Spaß am Lesen-Verlag

Spaß am Lesen Verlag

Friedrichstr. 9

48145 Münster

Telefon 0049-(0)251 39 65 30 99

Telefax 0049-(0)251 39 65 81 47

E-Mail info

Internet einfachebuecher.de

{category Schriftzeichen}
{tags leichte Sprache, einfache Sprache}

In Sachen leichte und einfache Sprache

Gestern Abend hatte ich meinen ersten Beitrag in der neuen Kategorie Schriftzeichen veröffentlicht. Darin hatte ich auf den Welttag des Buches und einen Artikel in meinem Blog leicht erzählen und schreiben hingewiesen.

Und heute geht es weiter in Sachen leichter Sprache. Denn der Spaß am Lesen Verlag hat eine Ausschreibung für einen Schreibwettbewerb in seinem Newsletter veröffentlicht.

Hier folgt ein Textauszug:
„Liebe Abonenntinnen und Abonnenten,

Am 23. April ist Welttag des Buches – Aber nicht für alle!
Denn über 6 Millionen Erwachsene in Deutschland haben Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben. Sie bleiben ausgeschlossen.

Diese Menschen brauchen Texte, die sie wirklich verstehen können. Vor allem Bücher auf A1-Niveau helfen Lese-Beginner:innen dabei, Einstiegshürden zu überwinden.

Deshalb sind Autor:innen für diese Bücher wichtig –
Und genau diese Menschen suchen wir!“

Wer sich daran beteiligen möchte, findet die Teilnahmebedingungen in einer PDF-Datei unter dem folgenden Liink: Schreibwettbewerb von Spaß am Lesen

Mich hat die Ausschreibung daran erinnert, warum ich seiner Zeit mit dem Blog leicht erzählen und schreiben begonnen hatte. Und mir kamen auch die Fragen, die mich bezogen auf Literatur in leichter und einfacher Sprache beschäftigen, wieder in den sinn.

01. Warum können die Menschen, die leichte Sprache nutzen nicht selbst auch mit literarischen Texten zu Wort kommen?
02. Was können wir tun, dass sie lernen, wie sie sich selbst schreibend in verschiedenen Genres ausdrücken können?

Mich freut, dass es diesen Wettbewerb gibt. Aber mehr Spaß hätte ich, wenn die Nutzer von leichter Sprache ein solches Angebot erreichen würde.

Ich denke nicht, dass sich die Leser und Leserinnen von Texten in leichter Sprache durch den Text im Newsletter und das PDF-Dokument angesprochen fühlen. Einige Prüfer und Prüferinnen für leichte Sprache durfte ich kennenlernen. Aber Schreibende kenne ich nicht.

Aber vielleicht kennt jemand von Euch jemanden und hat selbst auch Ideen, wie Leser und Leserinnen von leichter Sprache auch zu Schreibenden werden. Ein Kommentar im Kommentarfeld genügt. Ich freu mich drauf!
Und hier geht’s lang zu Leicht erzählen und schreiben.

Mehr zu dem, was mir zur leichten und einfachen Sprache einfällt, gibt es in der nächsten Zeit.

Liebe Grüße

Paula Grimm

Am Feiertag für alle Bücher

Seit 1995 ist der 23. April der Weltbuchtag. Denn heute vor 30 Jahren rief die UNESCO diesen tag zum Weltbuchtag aus.

Ein Grund, warum es ausgerechnet dieser Tag ist, an dem die Welt das Buch als Kulturgut feiert, ist, dass heute der Georgstag ist. Und in vielen Ländern nutzen Menschen schon seit langer Zeit den Georgstag dazu, Buchgeschenke zu machen.

Darüber hinaus ist der 23. April der Todestag zweier Auoren von Weltruhm, Wiliam Shakespeare und Miguel de Servantes.

Mich freut, dass es einen Tag gibt, an dem die Welt Bücher feiert. Und ich nehme diesen Tag zum Anlass, um in diesem Blog eine neue Kategorie einzuführen, Schriftzeichen.

Schriftzeichen handelt vom Schreiben, besonderen aspekten von Schriften und interessante Sachen rund um das Lesen.

Den Anfang macht ein Hinweis auf meinen anderen Blog, den ich zum Thema leichte Sprache gestartet habe. Den möchte ich wieder mehr pflegen. Und freue mich, wenn auf ihn hingewiesen wird. Hier geht es um den Artikel, den ich im Jahr 2021 geschrieben und heute aktualisiert habe.

Bitte mit Interessierten und Menschen teilen, die leicht erzählen und schreiben!

Ein Feier-Tag für alle Bücher der Welt

Herzlichen Dank fürs Teilen!

Liebe Grüße

Paula Grimm

Sieben Sachen

Guten Tag,

dieser Beitrag steht auf alles von Anfang. Denn er enthält die ersten sieben Sachen, die ich geschrieben habe.

Ich habe die ersten sieben Sachen für Euch zusammengepackkt und hoffe, dass Euch die Tiere, der Kürbis und einige Menschen Freude bereiten.

Der Download dieses Ebooks ist kostenfrei und wird es auch bleiben.

Liebe Grüße

Paula Grimm
Sieben Sachen (Buch)

ACHTUNDACHTZIG BLÜTENBLÄTTER

Der Sommer setzte die Lebenden nicht mit flirrender Hitze unter Druck. Der Himmel hielt sich bedeckt. Es regnete nicht. Sanft wehte der Wind.

„Guten Tag, Daggi!“ „Herzliches Beileid auch dir,
daggi!“ „Wie geht es dir sonst so, Daggi?“ „Hallo, bald hätte ich dich übersehen, Daggi!“

Und Daggi, wie es aus aller Munde kam, hatte wie eh und je diesen falschen, verniedlichenden Klang. Es waren viele Leute zu begrüßen, Beileidsbekundungen entgegenzunehmen und vor allem Hände zu schütteln. Da das seine Zeit brauchte und sehr eintönig vor sich ging, gelang es den ganz alten Erinnerungen wie den Gerüchen von Haferschleim, den die Großmutter früher jeden Morgen für den Vater gekocht hatte, und dem Zitrusspülmittel aus der Vergangenheit und den Tiefen des Gedächtnisses aufzutauchen und so stark zu werden, dass sie die aktuellen In-Düfte der Parfüms, Deos und Aftershaves überlagerten und diese nach einiger Zeit sogar ganz zu verdrängen. Und plötzlich war auch wieder die Stimme der Großmutter zu hören, die wie zu ihren Lebzeiten in jenem Singsangdialekt von weiter rheinaufwärts sprach: „Jib dat schöne Händische, Daggi!“ Und wie eh und je klang sie dabei jammernd und schimpfend zugleich. Dieser und ähnliche Sätze in diesem Zungenschlag waren seit dreißig Jahren hier und in ihrer Familie verstummt. Doch da sie in früheren Zeiten so oft erklungen waren, mussten sie einfach ohne Sinn und Verstand in der Familie bleiben, bis der oder die Letzte, dem sie zu Lebzeiten zu Ohren gekommen waren, gestorben sein würde. Aber so oft die die Hinterbliebenen von der alten Frau Befehle erteilt worden waren, so oft sie geklagt, verurteilt und geprahlt hatte, Konnte oder wollte jemand aus der Familie diese jammernde Schimpferei imitieren.

Jeder bekam von Dagmar die rechte Hand und natürlich auch einen Gruß und einen Dank in der hiesigen leicht rauen Sprachweise. Ihre Rechte war wie die Linke und wie die Füße klein geraten und die Rechte war wieder einmal durch Macken an den Nagelbetten und einen Riss an der Daumenwurzel nicht das schöne Händchen.
„Wenigstens muss erst mal nicht gewinkt werden. Dabei verpasse ich wahrscheinlich immer noch den Einsatz, weil ein Abschiedswort noch lange kein Abschiedsblick und keine Kehrtwende zum Gehen ist, Blinde Kuh!“, dachte Dagmar.

„Es geht los, Daggi!“, sagte Martha, die Älteste von den fünf Kindern, die Gertrud geboren hatte. „Also bei ihr einhaken!“, gedacht, nichts gesagt und einfach getan, was jetzt angesagt war.

Der Weg zu dem Teil des Friedhofs, wo die anonymen Gräber waren, war, wie man so sagt, ein gutes Stück Weg. „Und gehen hilft immer irgendwie!“, bemerkte Dagmar still, während sich Martha auf dem Weg zum Grab gedämpft mit Leuten unterhielt, die vor und hinter ihnen gingen. Und deshalb musste sie auf dem Weg nicht Daggi zu ihr sagen. So war es leicht, den eigenen Gedanken nachzugehen. – „Gehen hilft immer irgendwie! – Gertrud war wie Martha die Älteste zuhause. – Zuhause in Ostpreußen, zuhause an der Bahnstrecke, wo dann irgendwann abends und nachts nicht mehr nur Güterzüge und Viehtransporte nach Osten rollten. – Zuhause, wo dann irgendwann auf den Güter- und Viehwagons Menschen nach Osten abgeschoben wurden. Und die Dunkelheit, durch die die Züge mit den Menschen in den Wagons gefahren waren, verhüllte die Tötungsabsichten und die Morde nicht, sodass Gertrud sie später genau erkannte. – Zuhause, wo dann später mit Menschen überladene Züge nach Westen fuhren. – Zuhause, von wo sich Gertrud ohne den Vater mit den Großeltern, der Mutter und den jüngeren Geschwistern zu Fuß in den ungewissen Westen hatte aufmachen müssen. Und die beiden Kleinen, Oskar und Renate waren auf der Strecke geblieben. – Gertrud war die Einzige gewesen, die nicht Daggi, sondern Dagmar zu gesagt hatte. – Voller Stolz, weil sie sich im diesem Fall einmal gegen ihren Mann und ihre Schwiegermutter durchgesetzt hatte. Anders als es bei den Namen der vier Geschwister gewesen war. So hieß Martha wie eine Jugendfreundin des Vaters. Martha empfand es als Zurückweisung so zu heißen wie jemand, die im Alter von zweiundzwanzig Jahren tödlich mit dem Auto verunglückt war. Und Martha empfand es mit Mitte vierzig immer noch unpassend, ja sogar unverschämt, dass Dagmar, Dagmar also taghell, hieß. Sie sagte immer wieder: „Es ist absurd, jemanden taghell zu nennen, die im dunkelsten Winter geboren ist, und die nie gesehen hat und nie sehen wird, was taghell ist.“
„Und selbst, wenn das stimmt, gibt es doch keinen triftigen Grund dafür der Namensgeberin und auch der Trägerin dieses Namens den Klang des Namens wegzunehmen und lebenslänglich mit diesem falschen und verniedlichenden Ton Daggi zu sagen!“, dachte Dagmar dann jedes Mal.

Schließlich erreichten sie den Platz, an dem Gertruds Urne beigesetzt werden sollte. Der Mandatar wartete bis alle Trauergäste sich in einem großen Halbkreis um das offene Urnengrab versammelt hatten. Dabei ließ sich ein Augenblick der Stille und des Stillstands nicht vermeiden. Und wenn Dagmar geistesgegenwärtig genug gewesen wäre und mit dem schönen Händchen, mit dem Linken, das von Herzen kommt, in die Luft gegriffen hätte, hätte sie wohl ein großes stück von dem nur scheinbar so kleinen Glück aufgeschnappt, dass die Natur einfachen, bodenständigen Leuten wie Gertrud schenkt, Leuten, die das Herz am rechten Fleck haben. So blieb Dagmar nur die Zeit festzustellen, dass Gertrud ihren Platz für die ewige Ruhe richtig gewählt hatte. Es war ein Ort mit Gras, Blumen und Bäumen. Gertrud hatte Orte in ihrem garten so geschaffen wie dieser Platz, an dem sie bestattet werden würde, waren, Orte mit Gras, Blumen und Bäumen. Gertrud hatte es verstanden. Wer nicht einfach heimisch sein darf, wo er ist, der muss sich heimisch machen. Aber, wer solche Plätze schafft, schafft keine vollkommen heile Welt. Dazu sind diese Plätze zu bescheiden und zu leicht zu zerstören. Und um Orte zu schaffen, an denen man sich wenigstens heimisch fühlt, muss man zu oft, zu viel und zu hart arbeiten, als dass ein Stückchen heile Welt entstehen könnte.

Der Trauerredner hielt eine kurze Ansprache. Und dann folgte zumindest das Vaterunser. Das Vaterunser war auch an diesem Platz und an diesem Ort gut und einfach, wie es immer ist und wie das Gehen. Es hilft immer. In seiner Einfachheit, Klarheit und Ungereimtheit war es Gertruds Leben und damit jetzt auch ihrem Tod näher und angemessener als jedes Lied. Denn die Worte dieses Gebets sind so gesetzt, dass man sie wie bei jedem Gang rhythmisch so gestalten kann, wie es gerade angemessen ist. Auf die Länge und die rituelle Struktur einer katholischen Messe war verzichtet worden, auch um falsche Gefühligkeit von Vornherein auszuschließen. Was mit falscher Gefühligkeit auch immer gemeint sein mochte. Und es stimmte, Gertrud war keine Kirchgängerin gewesen. Sie war in den Garten gegangen so lange sie konnte. Und ihren Garten hatte sie mit Kopf, Herz und Hand gepflegt und war damit bodenständig genug, um Herz und Seele nach oben und ganz weit offen zu haben. Und damit gehörte sie in einem ganz und gar umkonfessionellen zu den gläubigen Menschen. und sie hatte gebetet.

Und was konnte auf dieses einfache und dennoch großartige Gebet folgen? Jeder Trauergast ging zum Urnengrab. In den letzten Tagen war viel und laut über die Gertruds Beerdigung gesprochen worden. Und weil alle sich bemüht hatten, so schnell und so laut als möglich mitzureden, waren viele falsche Worte gemacht worden. Und sie alle hingen jetzt plötzlich nach dem Vaterunser in der Sommerluft. Und die Tränen, die Dagmar jetzt vergoss, konnten sie nicht wegspülen.

Jeder ging allein an das Grab, auch wenn sie zu zweit an das Erdloch traten wie Martha und Dagmar. Dagmar stand da und dieses Loch in der Erde fühlte sich an wie eine Wunde.

Plötzlich wurde Dagmar gewahr, dass neben ihr ein Korb mit Blütenblättern stand. Und links neben diesem Korb, also an der Herzseite war das Urnengrab. Auf die Blütenblätter und dieses Loch war Dagmar nicht vorbereitet gewesen. Denn darüber war in der Zeit nach Gertruds Tot kein einziges Wort gesprochen worden.

Dagmar erinnerte sich daran, wie sie vor fast dreißig Jahren auf diesem Friedhof aber an ganz anderer Stelle für die Großmutter väterlicherseits einen Kranz in ein größeres Grab geworfen hatte.

Und Gertrud hatte sich ihr anonymes Urnengrab auch deshalb gewünscht, um nicht neben ihrer Schwiegermutter in das Doppelgrab gelegt zu werden, dass ihr Mann gekauft hatte. Es war wohl dieser erfolgreiche Widerstand gegen den Willen der alten Frau und ihren Sohn gewesen, der vor nicht einmal einer halben Stunde mitverantwortlich dafür gewesen war, dass die Worte der Großmutter und der Gerüche von früher auf den Plan gerufen worden waren. Was waren schon ungefähr dreißig Jahre und ungefähr 200 M Luftlinie im Vergleich zu ausgewachsenem Starrsinn und einer riesigen Portion Bosheit?

„Was ist jetzt zu tun? – Hier geht es nicht um das schöne Händchen. – Wie viele Blütenblätter müssen es sein? – Achtundachtzig!“, dachte Dagmar. „Mensch Daggi, was machst du denn da? Du hältst den ganzen Verkehr auf!“, zischte Martha ungeduldig. Martha war oft ungeduldig aber so ungeduldig?

Nicht „Nicht die Sonne bringt es an den Tag sondern die Weite!“, dachte Dagmar. „ich zähle doch nur die angemessene Zahl der Blütenblätter für Gertrud ab!“ „Die angemessene Zahl für Gertrud?“ „Ja, für Gertrud, di mit dem Schwert Vertraute. So hieß sie doch!“ „Aber, warum sagst du Gertrud zu ihr, Daggi?“ Sie war unsere Mutter!“ „Ja! Das war sie auch! Aber das war sie nicht nur!“ „Wie viele von den Blütenblättern meinst du denn zu brauchen?“ „Die fünfundsiebzig für gelebte und erlebte Jahre habe ich schon! Also sind die Zeit der vielen Arbeit, die Zeiten des Kummers, die Zeiten der Sehnsüchte, Die Zeit der Vertreibung, die Zeiten der Krankheiten, die Zeiten der Schwangerschaften und Geburten, die Zeit der Pflege und so schon bedacht!“ „Und was kommt jetzt noch?“

Diese spitze Frage nahm Dagmar erst abends, als sie in ihrem Bett lag, ganz deutlich wahr. Was sie am Urnengrab aber in Echtzeit spürte, war Marthas immer noch wachsende Ungeduld. Sie hätte Dagmar gern stehen gelassen. Aber das traute sie sich nicht. Wenn sich Martha wenigstens mit den anderen Trauergästen hätte verbünden können. Aber die warteten geduldig in gebührendem abstand, nicht nur, weil sie Dagmars Tränen sahen. Zumindest die meisten spürten wohl auch, dass alles seinen angemessenen Gang für Gertrud und Dagmar ging. Und alles ging so gut wie möglich.

„Fünfundsiebzig für jedes gelebte und erlebte Jahr, eins als Trostpflaster für jeden Kummer, eins zum Trost für unerfüllte Sehnsüchte, eins für unerfüllte Liebe, eins für jede erlittene Ungerechtigkeit, eins als Lohn für jede Plackerei, eins für jede vergebliche Mühe, eins für jeden erlittenen Schmerz und für jede Krankheit. Und der Dank darf nicht fehlen, eins für jedes gute Wort, eins für die Zuverlässigkeit, eins für jede geübte Nachsicht, eins für die Liebe, die immer von Herzen kam, auch wenn sie immer nur eine praktische Gestalt angenommen hatte, eins für die Mühe um Gerechtigkeit und eins für die Bemühung um Verständnis, was oft nicht gelang was aber zu deinen Lebzeiten nie aufhörte.“

© Paula Grimm, 09. November 2023

{category Aktuelle Projekte}

SCHMACKHAFTE VORSÄTZE

Lieber Benno, lieber Franz, lieber Fred und liebe Elfi,

meiner Einladung zu dieser Silvesterparty seid Ihr sicher alle gern gefolgt. Das freut mich aufrichtig! Illusionen über die Gründe Eures Kommens mache ich mir nicht. Seid herzlich in meinem Haus willkommen und stört Euch nicht daran, dass ich, wie Ihr sicherlich bereits gemerkt haben werdet, nicht leibhaftig anwesend sein kann und Ihr daher fast nur mit der Aufnahme, die Ihr gerade hört, Vorlieb nehmen müsst.

Eine Videoaufnahme habe ich Euch erspart, da ich ja alles andere als telegen bin, nicht wahr Elfi? Ihr hattet bestimmt mit einer Einladung zum Weihnachtsfest gerechnet, bei dem es dann ein besonders üppiges Menü und zahlreiche Geschenke hätte geben sollen. Es tut mir leid, aber diesmal war es für mich unumgänglich mich auf eines der Feste zu beschränken. Und zumindest zum Jahreswechsel ist es so wie Ihr es gewöhnt seid und wie Ihr es erwartet, es gibt reichlich umsonst.

Was die Feste betrifft, wird sich alles ändern. In gewisser Weise ist es schon das Ende, obwohl es nicht die letzte, sondern erst die vorletzte Einladung von mir ist. Was das letzte Fest, betrifft, so komme ich am Ende dieser Aufnahme noch darauf zu sprechen.

Dass es bezogen auf Einladungen und Feste in dieser Familie nicht so bleibt wie es war, ist einerseits eine schlechte Nachricht, denn ich werde nie wieder diejenige und die einzige sein, die den Beweis dafür antritt, dass Liebe durch den Magen geht, indem sie auffährt, was kulinarisch möglich ist. Andererseits ist es eine gute Nachricht für Euch, denn ab sofort müsst Ihr Euch nie wieder den Kopf darüber zerbrechen, warum Ihr mich nicht einladet, warum für Euch gelten kann, aus der Ferne liebt es sich leichter. Ich kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass ich meinen Teil dieses zwiespältigen Familienkonzepts erfüllt habe, denn ich weiß bestimmt, Ihr habt mich trotz meiner Unabhängigkeit und trotz meiner Lebensweise, die Euch überhaupt nicht in den Kram passen, die Ihr mir nicht zugesteht, einfach zum Fressen gern. Betrachtet also diese vorletzte Einladung und vor allem den folgenden Gang des Menüs als meinen aufrichtigen Dank für diese, Eure Liebe!

Da ich schon länger weiß, dass meine Tage gezählt sind, blieb mir genug Zeit meine Vorbereitungen zu treffen. Ich bin die Sache wieder einmal auf meine Art angegangen, habe so gelebt wie zuvor und habe dabei gleichzeitig einen außergewöhnlichen Plan speziell für Euch ausgeheckt. Und ich bin mir sicher, dass ihr mir gerade diesen besonderen Plan und seine Umsetzung, die wirklich nicht einfach war, nicht zugetraut habt. Unter uns gesagt, ist die Sache wie sie abgelaufen ist, nicht ganz legal. Aber ich werde Euch nicht mit den Einzelheiten über die Umgehung gewisser gesetzlicher Vorgaben langweilen.

Sollte Euch mein Vorgehen so befremden, dass Ihr Euch nur Rache als Motiv vorstellen könnt, muss ich Euch enttäuschen oder beruhigen, je nach dem, wie Ihr das empfindet. Nein, ich hege keine Rachegelüste, zum Beispiel wegen des Betrugs, den Ihr an mir bezogen auf Vaters Erbe begangen habt. Wozu auch? – Aus mir ist ja auch ohne Eure Firma was geworden und gut verdient habe ich auch, kaum zu glauben, nicht wahr, Benno?

Wir haben von unserer Mutter gelernt, man ist, was man isst. Also muss umgekehrt wohl gelten, man ist nicht, was man nicht isst. Und jeder braucht etwas anderes. Wenn nun das, was man braucht und noch nicht ist, „artgerecht“, also im Mitmenschen verfügbar ist, ist es naheliegend und folgerichtig sich das, was man braucht und noch nicht ist, vom Anderen zu nehmen oder sich von ihm freiwillig geben zu lassen. Ich gebe freiwillig, ungefragt und gern. Und ich bin daran gewöhnt mich nützlich zu machen. So nutze ich jetzt die Möglichkeit jedem von Euch das von mir zu geben, was er braucht, noch nicht hat und deshalb auch noch nicht ist. Und da wir unter uns sind, bleibt es in der Familie.

Dass meine Speisenauswahl für den folgenden, individuell auf jeden von Euch abgestimmten, Gang, Eurem Geschmack und Euren Vorstellungen vollkommen entspricht, wage ich zu bezweifeln. Schon, weil Ihr wie immer betonen werdet, dass Ihr anders und besser seid als ich, wird es Gemecker geben. Aber ich kann einfach nicht aus meiner Haut und tue und gebe, was ich kann. Und es bleibt ja in der Familie.

Aus kulinarischer Sicht sind die individuellen Speisen des nächsten Gangs absolut unbedenklich und nach den Regeln des guten Geschmacks komponiert. Dafür wird wie eh und je meine gute und treue Lena Sorge tragen. Dafür, dass mein Rezept bei und für Euch seine Wirkung tun wird, gibt es natürlich keine Garantie. Jede der folgenden Speisen ist ein leibhaftiger Wunsch von mir für einen jeden von Euch. Wenn es hilft, geht es Euch und Euren Mitmenschen bald besser und Ihr braucht für das nächste Jahr nicht einmal einen guten Vorsatz zu fassen, den Ihr eigentlich sowieso nicht halten wollt. Was Euch gleich vorgesetzt wird, ersetzt jeden guten Vorsatz, dem Energiestoffwechsel sei Dank! Und Ihr braucht nichts dazu zu tun als das, was ihr sonst auch tut, alles zusammenraffen und in Euch hineinstopfen, was Ihr kriegen könnt. Zumindest hat mein Plan für Euch bisher zeitlich ausgezeichnet funktioniert. Und wenn meine guten Vorsätze für Euch nicht wirken, zählen zumindest in gewisser Weise die guten Absichten und die Geste selbst. Da bin ich sicher! Und selbst Fred kann meiner nicht mehr habhaft werden wie ihm beliebt.

Benno, Dir habe ich ein gegrilltes Stück vom Nacken zugedacht. Du hast Dir dieses spezielle Gericht verdient, weil Du einer der größten, wenn nicht der größte, Geizkragen bist, den ich kenne. Aber Auch Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen, alle Zutaten sind vom Feinsten. Und Du brauchst Dir auch keine Gedanken darüber zu machen, dass Du zu kurz kommst. Auch Dir gebe ich selbstverständlich gern Und in diesem besonderen Fall wirst Du mir sicher ausnahmsweise keine Verschwendungssucht unterstellen. Denn auch Dir gebe ich natürlich und wie immer gut, viel und gern. So handelt es sich bei dem, was auf Deinem Teller liegt, nicht nur um das größte Stück, sondern auch um die beste Marinade und nicht um das gepanschte, billige Zeug, das Du anbietest, wenn Du Dich genötigt fühlst, Gäste bewirten zu müssen. Und darum haben wir keine Kosten und Mühen gescheut, die besten und frischesten Zutaten in großzügiger Menge für Sauce und Beilagen zu beschaffen und diese hat Lena eigenhändig und sorgfältig verarbeitet. So bekommst Du ordentlich was zwischen die Zähne, Du alter Gierschlund!

Franz, wenn Du jetzt denken solltest, dass Du das pikante Herzragout nach Provincealischer Art bekommst, weil bei Dir seit eineinhalb Jahren ein Herzproblem medizinischer Art vorliegt, bist Du gewaltig auf dem Holzweg. Wäre das der Fall, müsste ich der Unbedenklichkeit meiner Speisen zum Trotz den Hinweis geben: „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“ Du brauchst dieses schmackhafte Herzragout gegen einen Herzfehler, den Du schon seit wir alle denken und fühlen können, hast, der aber keineswegs angeboren und nicht medizinisch behandelbar ist. Hoffentlich hilft das Herz wenigstens ein Bisschen gegen Deine Kalt- und Hartherzigkeit gegen alles und jeden. Lena wird durch eine sachgemäße und liebevolle Zubereitung des Herzragots eine Speise zubereitet haben, bei der das Herz einerseits weich und zart ist, wie ein gutes Herz eben ist, das aber andererseits noch eine solide Konsistenz hat, wie es sein muss, um beherzt und gut zu leben. Das Herzragout weicher als Dein Herz zu kochen, war sicherlich die einfachere Aufgabe bei der Zubereitung des vorzüglichen Herzens. Von Dir stets als zu gutherzig befunden bleibt mir nur Dir von ganzem Herzen einen gesegneten Appetit und gute Besserung zu wünschen.

Fred, Deine herausragende Bedeutung als Kopf des Familienunternehmens würdige ich mit einem besonderen Leckerbissen, mit eingelegtem Hirn. Zumindest bei Dir bin ich mir recht sicher mit der Speisenauswahl richtig zu liegen. Außergewöhnliche Pläne und Ideen sind ganz nach Deinem Geschmack. Obwohl es durchaus sein kann, dass mein Einfall Dir wohl nicht undurchsichtig und abgefeimt genug ist. Aber ich habe natürlich meine Gutwilligkeit, die Dir immer schon ein Dorn im Auge war, und für die Du bislang immer Hohn und Spott übrig hattest, auch Dir gegenüber nicht verloren. Ich möchte Dir mit diesem exzellent zubereiteten Gehirn zeigen, dass ich guten Willens bin Deinem hervorragend entwickelten Denkvermögen ganz neue Impulse zu geben. Ich habe so meine Zweifel, ob dieses Gericht bei Dir überhaupt etwas bewirken kann, Du alter Starrkopf und Dickschädel! Aber zumindest beim Verzehr dieses schmackhaften Gerichts werden Dir nur gutartige Gedanken und Ideen in den sinn kommen. Denn die Zubereitung ist absolut delikat! Ich wünsche Dir gute Pläne und Ideen zum Nutzen aller, mit denen Du zu tun hast und jetzt erst einmal einen gesegneten Appetit!

Elfi, ich weiß, wie schwer es Dir gefallen ist, für die Dauer meiner Ausführungen Deine spitze Zunge im Zaum zu halten. Und es ärgert Dich, dass ich schon wieder einmal eine Möglichkeit gefunden habe, mich nicht auf Deine Lügen und Lästereien einlassen zu müssen. Und auch mit Deiner Angeberei habe ich ab sofort nicht mehr das Geringste zu schaffen. Keine Sorge, bei den folgenden Gängen wird Dir noch genug Zeit für Spott und Verleumdungen bleiben. Ich weiß ja leider nicht, ob und wann mein Gericht seine Wirkung entfaltet. Dass sich Zunge und Wange in Aspik im Vergleich zu den anderen Speisen dieses Gangs verhältnismäßig bescheiden ausnehmen, stört Dich bestimmt nicht. Denn Du bist ja gerade wieder einmal dabei abzunehmen und behauptest wie immer soooo bescheiden zu sein wie niemand sonst in der Familie. Du lebst aber Deiner Behauptung zum Trotz mit Deiner Habgier und Deiner Aufmachung nach dem Motto: „Bescheidenheit ist eine Zier, doch es geht ganz ohne ihr!“ Daher drücke ich mit meinem Gericht für Dich den Wunsch aus, dass Du in den nächsten Jahren den Mund nicht mehr so voll nehmen musst und jetzt erst einmal einen guten Appetit!

Damit Ihr jetzt aber ungestört kräftig Zulangen, die nächsten Gänge des Menüs und den Jahreswechsel genießen könnt, möchte ich nur noch zwei Bemerkungen machen.
Zum einen möchte ich Euch herzlich zu meinem letzten Fest einladen, bei dem Ihr Euch wie immer um nichts kümmern müsst. Am Montag dem 05. Januar findet um 11.00 Uhr die Beisetzung derjenigen sterblichen Überreste statt, für die mir kein passender Verwendungszweck eingefallen ist. Ihr braucht Euch also nicht um den kläglichen Rest zu streiten. Und Ihr müsst Euch auch deshalb nicht sorgen, weil ich ja seit vielen Jahren das Doppelgrab auf dem Nordfriedhof habe, wo schon mein Richard seine Letzte Ruhe gefunden hat. Ihr braucht Euch also um nichts zu kümmern, keine Sorgen zu haben und müsst auch nichts bezahlen. Dass es eine kostenlose Veranstaltung ist, wird vor allem Dich freuen Franz, da Du ja derjenige bist, der Richard und mir in Wort und Tat immer gezeigt hast, wie überaus herzlich Du uns zugetan warst, gerade, sodass Du Dir von je her Sorgen gemacht hast, wie Du uns meiden konntest und uns zu verstehen gegeben hast, dass wir für Dich nichts wert sind. Endlich sind wir dann wieder vereint, der Richard und ich. Der Leichenschmaus wird dann um 12.00 Uhr im Restaurant des Seehotels stattfinden.

Die zweite Anmerkung, die ich eben angekündigt habe, ist, dass ich Euch beruhigen kann. Denn diese Silvesterparty ist wirklich nicht das Letzte, mit dem Ihr abgespeist werdet, wenn sich schon alles ändern muss. Nach dem kostenfreien Mittagessen im Seehotel findet nämlich direkt die Testamentseröffnung statt. Und ich verspreche Euch nicht zu viel, wenn ich sage, dass es sich für jeden von Euch lohnt, das erbe nicht auszuschlagen, obwohl ich den Löwenanteil meines Vermögens der Lena und den Belangen der Hunde in dieser Stadt vermache. Ich wünsche Euch also von ganzem Herzen einen schönen Jahreswechsel, alles erdenklich gute für das Jahr 2009 und viele weitere Jahre und vor allem gute Besserung!

Liebe Grüße

Susi

}category Aktuelle Projekte)

ELSA UND MIMMI

Elsa lebte mit sieben anderen Mutterschafen, einem frechen Jährling und einem Bock zusammen. Die Herde gehörte einem alten Schäfer, Richard Weigand, der bis vor zwei Jahren mit einer weitaus größeren Herde, die mehr als zweihundert Mutterschafe gezählt hatte, umhergezogen war. Inzwischen war er Rentner und lebte auf dem Bauernhof, den er von seinen Eltern geerbt hatte und ließ die Schafe ausschließlich das Land abweiden, das zum Anwesen gehörte. Anderes Vieh hielt Weigand nicht. Und der Bock erklärte immer wieder, wie gut das war. „Kühe, Ziegen Schweine und Federvieh untergraben den Zusammenhalt, die Moral und die Sitten einer Herde!“

Seine kleine Herde hielt Weigand, weil der Schäfer nun mal das Scheren nicht lässt. Und was das Scheren betraf, war Elsa froh, denn ihr Hirte konnte diesbezüglich mit ihr sehr zufrieden sein. Schließlich hatte sie im vergangenen Sommer vier Kg Wolle gegeben. Nach dem Auswiegen ihrer Wolle hatte der Schäfer stolz gesagt: „Das ist sehr gut! Es gibt immer mehr Leute, die nach schwarzer Wolle verlangen!“ Aber wirklich getröstet wäre Elsa nur gewesen, wenn sie tatsächlich jemanden kennengelernt hätte, der ihre schwarze Wolle wirklich mochte, denn es war überhaupt nicht leicht, das schwarze Schaf zu sein, auch nicht oder gerade in so einer kleinen Herde.

Außer Tilla mochte kein anderes Schaf neben ihr grasen oder schlafen. Und Bella, die sich immer sehr wichtig vorkam, nicht zuletzt, weil sie einen großen Stein im Brett des Bockes hatte, behauptete immer wieder: „Die Tilla bleibt nur in deiner Nähe, weil sie zu dumm ist, dich nicht zu mögen.“

Auch der Bock übersah Elsa meist geflissentlich. Und wenn er doch einmal in ihre Nähe kam, stampfte er zornig mit dem Vorderhuf auf und senkte drohend den Kopf.

Eines Morgens im November beobachteten die Schafe, dass Bella, die nicht nur besonders schön, sondern auch besonders neugierig und schwatzhaft war, am Rand des Pferchs stand und aufmerksam einem Gespräch folgte, das der Schäfer mit einem fremden Mann führte. Die anderen Schafe wollten schon hingehen, um endlich auch zu erfahren, worum es ging, als Bella sich umdrehte und mit wichtiger Miene auf die Mitte der Weide zusteuerte.

„Hört mal alle her!“, rief sie. Und alle Schafe bildeten einen Kreis um Bella.

„ich muss euch was erzählen!“, fuhr Bella so aufgeregt fort, dass ihre Stimme zitterte und höher klang als gewöhnlich, sodass ihre Schwester Emma, die immer eifersüchtig auf Bella war, spitz bemerkte: „Verdammt nah an der Ziege heute, was?“

Bella ließ sich nicht beirren und sprach weiter: „In der Stadt wird es einen Weihnachtsmarkt mit einer lebendigen Krippe geben. Und weil wir eine so schöne, kleine Herde sind, sind wir mit dabei. Und an jedem Sonntag in der Vorweihnachtszeit wird es ein Adventssingen geben mit der Krippe malerisch im Hintergrund. Und zu diesem Singen kommt immer das Fernsehen!“

„Fernsehen?“, fragte Tilla.

„Das ist mal wieder typisch, dass du das nicht kennst!“, meinte der Jährling herablassend.

„Der Schäfer erzählt doch immer davon. Im Fernsehen kann man alles über die Welt erfahren. Und im Fernsehen gibt es nur berühmte Persönlichkeiten.“

„Und weil das nur, was für Prominente ist, und weil uns die ganze Welt sehen wird,“, fiel Bella dem Jährling ins Wort und sprach dann weiter: „Darum müssen wir einen ganz besonders guten Eindruck machen.“ Und nach einer kurzen Pause fügte sie ganz leise hinzu: „Für mich ist das ja überhaupt kein Problem.“

Dann sahen die Schafe einander an, und der Jährling knuffte Elsa in die Seite: „Dich können wir aber nicht mitnehmen, wenn wir einen guten Eindruck machen sollen. Du passt nicht zu uns. Und abends, wenn es dunkel ist, sieht dich sowieso kein Schwein, du Mistvieh!“

„Mist machst du auch nicht gerade wenig!“, versuchte sich Elsa zu verteidigen.

„Du kannst mich mal! Ich werde diese Herde berühmt machen mit meiner Show! Schließlich beobachte ich die größeren Enkel des Schäfers immer, wenn sie für das Casting üben.“ Und der Jährling begann auf den Hufen zu tänzeln und Laute auszustoßen, die manchmal kurz und abgehackt und dann langgezogen oder sogar auf- und abschwellend klangen. Währenddessen stritten die anderen Schafe darüber, welches von ihnen das schönste und hellste Fell hatte.

Der Bock machte diesem Geschrei ein Ende, indem er mit dem Kopf kräftig gegen den Unterstand stieß, den der Schäfer erst vor einigen Tagen aufgestellt hatte. Und der Bock brüllte: „Ruhe in der Herde! Ihr versteht wieder einmal den Ernst der Lage und die Wichtigkeit des Ereignisses nicht. Es geht hierbei um nichts Geringeres als um die Schafsehre, die Bedeutung des Schafswesens für die Weihnachtsgeschichte an sich. Und darum werdet ihr nur genau das tun, was ich euch sage. Und das gilt ganz besonders für dich!“

Der Bock sah in Elsas Richtung und stampfte drohend mit dem Vorderhuf auf. „Individuen wie du, eh, schwarze Schafe, sind sogar in der Menschheit berüchtigt und verschrien. Weigand wird zwar darauf bestehen dich mitzunehmen, weil du nun mal zur Herde gehörst, aber du wirst dich gefälligst vollkommen im Hintergrund halten. Du bist zwar keine Schande für die Menschheit aber dafür umso mehr für das Schafswesen!“

Etwa zwei Wochen später verlud der Schäfer die zehn Tiere auf den Hänger an seinem Traktor. Es war ein kalter Nachmittag mit Schneeregen. Elsa fühlte sich nicht wohl. Sollte die Zeit bei der lebendigen Krippe so werden, wie die Fahrt dorthin war, sah sie sehr dunklen Tagen entgegen. Auf dem Hänger stand sie zwischen Emma und Bella, die sie immer wieder in die Seite knufften. Vor Elsa stand der Jährling, der sich zu ihr umgedreht hatte, und einige Male nach ihr biss.

Schließlich hielt Weigand an und ließ die Schafe aus dem Anhänger. Auf dem Platz, auf dem der Weihnachtsmarkt stattfinden sollte, herrschte bereits geschäftiges Treiben, denn viele Menschen waren dabei Stände und Fahrgeschäfte aufzubauen. Als die Schafe auf den Stall, der sich direkt neben dem Weihnachtsmarkt befand, zugingen, hörten sie zwei laute Stimmen.

„ich bin für die Weihnachtsgeschichte unendlich wichtig und deshalb gebührt mir der Ehrenplatz ganz vorn in der Krippe!“, rief ein Esel.

„Ich wirke viel beruhigender auf die Menschen als du, durch meine imposante Größe und meine Gelassenheit!“, muhte ein Ochse.

Als die beiden aber die Schafe sahen, riefen sie wie aus einem Maul: „Ihr dummes Gesindel haltet euch gefälligst in der lebendigen Krippe ganz im Hintergrund!“, und der Esel fügte hinzu: „Ihr kommt in der Weihnachtsgeschichte ja nur deshalb vor, weil die Hirten bei euch gewacht haben. Ihr seid also höchstens indirekt beteiligt.“

Und während Weigand mit zwei anderen Männern, die wahrscheinlich die Besitzer von Ochs und Esel waren, den Stall für die Nacht vorbereitete, hielt der Bock eine Rede zur Verteidigung des Schafswesens vor allem für die Weihnachtsgeschichte.

„Wir Schafe repräsentieren das einfache Leben und die Friedlichkeit des Gottesreiches! Und das gilt in besonderem Maße auch innerhalb der Weihnachtsgeschichte. Das schöne Wollweiss unserer Felle wirkt auf die Menschen anheimelnd, friedlich und freundlich, was man auch daran erkennen kann, dass sie uns zur Beruhigung zählen, wenn sie abends im Dunkeln liegen und nicht schlafen können. Unser Fell leuchtet dann für sie besonders friedlich und freundlich. Wer käme denn auf die Idee Ochsen oder Esel vor dem Einschlafen zu zählen?“

Der Hinweis des Bockes auf dieses Einschlafritual der Menschen veranlasste Elsa sich in den hintersten Winkel des Stalles zurückzuziehen. Denn sie erinnerte sich noch zu gut an den Streit, den sie einmal mit Bella über diese Sitte gehabt hatte.

„Dass schwarze Schafe wirklich nichts taugen, kann man ja ganz einfach daran erkennen, dass man so was wie dich vor dem Einschlafen nicht zählen kann, weil man dich im Dunkeln ja überhaupt nicht sieht! Außerdem bekommen die Menschen, wenn sie so was wie dich sehen, nur noch mehr Albträume als sie ohnehin schon haben.“

„Ich kann doch ganz beruhigend und freundlich blöken!“

„Und was glaubst du wohl, wer dein furchtbar gewöhnliches Blöken vor dem Einschlafen hören will, he?“

Und um die Diskussion zu beenden, hatte Bella Elsa wieder einmal kräftig in die Seite geknufft.

Als Elsa den geordneten Rückzug angetreten hatte, und es sich im hintersten Winkel so gemütlich als möglich gemacht hatte, gingen die Streitigkeiten mit unverminderter Schärfe weiter. „Schönes Fell?“, höhnten Ochse und Esel wie aus einem Maul.

„Mein Fell ist viel schöner als eure Felle durch seine einzigartige schwarzweiße Zeichnung.“

„Es stimmt! Das Weisß eurer Felle ist langweilig und eintönig. Außerdem muss ich betonen, dass grau nicht gleich grau ist. Und wusstet ihr schon, dass sich Esel wieder großer Beliebtheit bei den Menschen erfreuen, und dass ich aus einer großen Zahl meiner Artgenossen für die Präsenz bei dieser lebendigen Krippe auserwählt worden bin? Ich bin also das Aushängeschild des Eseltums.“

Da die Menschen ihre Arbeit getan hatten und fortgegangen waren, und weil der Esel nach seiner Rede erst einmal verschnaufen musste, da er sich doch sehr aufgeregt hatte, trat Stille ein, in der plötzlich eine leise, aber sehr klare Stimme zu vernehmen war. Die Stimme kam von oben und fragte: „Was genau meinst du mit einer großen Zahl?“

Alle sahen nach oben. Es war Bella, die als Erste die Sprache wieder fand. „Ruhe da oben auf den billigen Plätzen. Wer bist du mickriges Mistvieh überhaupt?“

„Zugegeben, Mimmi heißt man als Katze nur, wenn man mal einen Menschen hatte, dem kein besserer Name eingefallen ist. Und ich hatte früher so einen Menschen, der bis auf seine Einfallslosigkeit wirklich in Ordnung war. Aber, was tun mein Name und vor allem meine Größe jetzt zur Sache?“

Mimmi war wirklich mickrig, schwarz und mager. Außerdem fehlte ihr das rechte Auge. Doch sie saß sehr gelassen auf einem Dachbalken. Und es war ihr anzusehen, dass sie beschlossen hatte, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und sich souverän zu behaupten.

„Dir ist wohl überhaupt nicht klar, wo du hier bist! Dies ist eine lebendige Krippe, die den Menschen die Weihnachtsgeschichte erlebbar machen soll. Hier haben also Herumtreiber wie du absolut nichts verloren. Wer hat jemals davon gehört, dass Katzen in der Weihnachtsgeschichte vorkommen? Da kommen noch eher Hunde vor, die die Schafe gehütet haben. Und hüte dich gefälligst davor, dich bei den Filmaufnahmen zu zeigen, wenn du schon nicht gehen willst!“, blökte der Bock böse.

„Dass das hier eine lebendige Krippe ist, pfeifen die Spatzen schon seit Wochen von den Dächern. Und auch das mit den Adventssingen ist schon lange in aller Munde. Das alles interessiert mich nicht. Ich bin nur wegen der Mäuse hier, die sich schon längst hier eingenistet haben und euer Futter fressen und alles verdrecken werden. Zwei habe ich eben schon erledigt. Dieses Pack wird auch immer dreister und arroganter. Die wissen längst, dass ich hier bin, und versuchen mir auf der Nase herumzutanzen. Sie halten mich für einen Gegner, den man nicht ernst nehmen muss, weil es viel größere Katzen gibt. Ich werde es mir hier irgendwo im Hintergrund gemütlich machen, wenn ich nicht gerade Mäuse jagen muss. Also braucht ihr keine Angst zu haben, dass ich euch die Show stehle. Ich bin wirklich nur deshalb hier, um meine Pflicht zu tun, wie es mindestens einer meiner Vorfahren in der echten Weihnachtsgeschichte auch getan hat.“

„Was bildest du dir eigentlich ein? Katzen kommen nicht in der Weihnachtsgeschichte vor und damit basta! Das wird ja immer schöner. Heutzutage darf sich wohl wirklich jeder in der Weihnachtsgeschichte wichtigmachen. Das können wir doch nicht zu lassen!“ Der Bock war außer sich vor Zorn und stampfte mehrfach drohend mit dem Vorderhuf auf.

Mimmi sagte: Ihr glaubt wohl alles, was euch die Menschen als Flöhe in den Pelz setzen. Was die Zweibeiner betrifft, seid ihr wirklich ausgesprochen naiv. Wir Katzen nähern uns den Menschen grundsätzlich mit gesundem Vorbehalt. Und daher wissen wir, dass die meisten von ihnen keinen Sinn für Wesentliches haben. Und aus diesem Grund halten sie oft bedeutsame Dinge für allzu selbstverständlich. Wer hat denn wohl dafür gesorgt, dass die Vorräte für eure Vorfahren und für die heilige Familie den Ratten und Mäusen nicht zum Opfer gefallen sind?“

Bella warf sich stolz in die Brust und verkündete: „Das ist doch klar! Das war der heilige Geist! Der heilige Geist fuhr vom Himmel herab, kurz bevor die heilige Familie im Stall eintraf und säuberte den Stall von Ratten und Mäusen und gab diesem Ungeziefer die Erkenntnis ein, dass sie nicht nur weggehen sollten, sondern sich für die bestimmte Zeit vom Stall fernzuhalten hatten, eben, bis die heilige Familie weggezogen war.“

Allmählich schien Mimmi doch die Geduld zu verlieren, was an dem zunehmend durchdringlicheren Glanz ihres smaragdgrünen Auges zu erkennen war. Und Elsa nahm an, dass ihr Schwanzende vor Aufregung zuckte, wie sie es häufig bei der dreifarbigen Katze beobachtet hatte, die bis zum Herbst mit ihnen auf dem Hof gelebt hatte.

„Vom Himmel herabfahren, um Ratten und Mäusen Erkenntnisse einzugeben, warum sollte dieser überflüssige Aufwand nötig sein? Schließlich hatte der Chef da oben uns längst erschaffen, damit wir diese Plagegeister kurzhalten!“

„So eine heruntergekommene Größenwahnsinnige!“, brüllte der Bock.

Nachdem er so geschimpft hatte, war mehrmals ein leises Geräusch zu hören. Mimmi fauchte und ließ ihren Schwanz durch die Luft peitschen. Jetzt war sie richtig zornig. Und um sich selbst zu beruhigen, murmelte sie vor sich hin: „Und meine Vorfahren haben doch ihren Platz in der Weihnachtsgeschichte gehabt, ob die Menschen sie erwähnen oder nicht! Sie haben ihre Pflicht getan. Und sie haben den Stall durch ihr Schnurren zu einem gemütlichen Ort gemacht. Von Gemütlichkeit und Annehmlichkeiten verstehen wir nämlich was.“

Wenn das wirklich wahr ist, dürfte es für dich ein Leichtes sein uns zu beraten, wer von uns die angenehmste Ausstrahlung hat und deshalb die Nummer eins in der Weihnachtsgeschichte ist!“, sagte der Ochse.

Alle waren mit diesem Vorschlag einverstanden. An der Art ihrer Zustimmung hörte Elsa, wie sehr jeder von ihnen davon überzeugt war, als Hauptdarsteller ausgewählt zu werden. Die Katze merkte das wohl auch. Und daher wollte Mimi zunächst nicht auf diese Idee eingehen. Darüber hinaus hatte sie längst genug von diesen Streitereien. Doch schließlich ließ sie sich doch dazu überreden, auch weil sie hoffte, so bei irgendjemandem einen warmen und gemütlichen Platz für die Adventszeit zu finden. Und so sprang sie zunächst dem Ochsen, dann dem Esel und danach auch den neun Schafen auf den Rücken. Und sie versuchte es sich bei jedem so gemütlich wie möglich zu machen, legte sich hin, streckte sich gemütlich aus, rollte sich zusammen, drehte sich auf die andere Seite, streckte sich aus und rollte sich zusammen. Und sie kam immer zum gleichen Ergebnis: „Nicht übel aber nicht wirklich toll und freundlich!“

Schließlich sprang Mimmi auf die Raufe und verfiel in nachdenkliches Schweigen.

„Alles nur Angeberei!“, maulte Bella, und der Jährling fügte hinzu: Natürlich! Sonst hätte sie sofort gemerkt, wer hier die beste Ausstrahlung hat, und wer der Star ist, ich natürlich!“

Es entstand eine Pause. Aber schließlich sagte Mimmi: „Irgendwie seid ihr alle ganz schön, auch wenn keiner von euch eine besonders freundliche Ausstrahlung hat. Ihr könntet euch ja auch damit abwechseln in der Weihnachtsgeschichte, eh, in dieser lebendigen Krippe wichtig zu sein und im Vordergrund zu stehen.“

Und Mimmi war die Enttäuschung darüber, dass sie keinen Freund für die nächste Zeit gefunden hatte, deutlich anzuhören.

Schließlich fiel die Katze in ein langes und tiefes Schweigen. Schließlich jedoch leckte sich Mimmi, nur um sich wieder zu sammeln die rechte Vorderpfote und ließ dann den Blick ihres verbliebenen Auges wie zufällig durch den hinteren Teil des Stalles schweifen. Plötzlich sprang sie mit zwei gekonnten Sätzen auf Elsas Rücken. Sie legte sich hin, streckte sich gemütlich aus, rollte sich zusammen, rollte sich dann auf die andere Seite, streckte sich aus und rollte sich wieder zusammen. Und endlich sagte sie so laut, dass es alle hören konnten: „Entschuldige vielmals! Beinahe hätte ich dich vollkommen übersehen und dass auch nur, weil es die dumme Zankerei gegeben hat!“ Dann rollte sie sich richtig gemütlich zusammen und brummte zufrieden: „Bei dir bleibe ich!“ Und dann begann sie laut zu schnurren.

„Das ist ja wieder mal so was von typisch! Schwarzes, unheilbringendes Pack, verträgt sich!“, schnauzte der Bock und fügte mit drohendem Unterton in der Stimme hinzu: „Aber, wenn ihr euch wirklich vollkommen im Hintergrund haltet, passiert euch nichts!“ Damit ließ er es endlich bewenden und wandte sich mit den anderen Tieren der Streitfrage zu, wer sich in der nächsten Zeit wann und wie wichtigmachen durfte.

Da Elsa und Mimmi sorgfältig darauf achteten, vollkommen im Hintergrund zu bleiben, und da die anderen Tiere allzu sehr damit beschäftigt waren, sich wichtig zu machen und sich dabei misstrauisch zu belauern, blieben die schwarze Katze und das schwarze Schaf in der Zeit bei der lebendigen Krippe von bösartigen Nachstellungen unbehelligt. Und auch, was alles andere betraf, war es eine wundervolle Zeit. Die Umgebung war angenehm, und das Futter war gut und reichlich. Viele zauberhafte Düfte wehten vom Weihnachtsmarkt herüber. Und Elsa war sicher, dass sie den anheimelnden Duft von Tannenzweigen, Tees, Kerzen, Gewürzen, Kuchen und Mandeln nie würde vergessen können. Abends wurde es dann immer besonders zauberhaft und feierlich, denn zu den wunderbaren Gerüchen war der Glanz von vielen kleinen und großen Lichtern zu sehen.

Doch die Katze lässt nicht nur das Mausen nicht. Und so beschäftigte sich Mimmi häufiger und nach Herzenslust auf ihre ganz eigene Art. so beobachtete ein kleines Mädchen am vierten Advent, wie Mimmi auf dem Stalldach waghalsige Kletterübungen machte.

„Oma, guck mal!“, rief es fröhlich. Mutter und Großmutter folgten dem Blick des Kindes. In diesem Augenblick sprang die schwarze Katze mit einem gekonnten und eleganten Satz auf Elsas Rücken und machte es sich dort so richtig bequem. Die drei Menschen kamen zu Elsa und Mimmi herüber. Die alte Frau fasste in Elsas Wolle und streichelte sie.

„Na, das gibt im nächsten Jahr mindestens einen schönen, warmen Pullover. Und schwarz ist ja auch immer so schick!“

Das Mädchen fragte seine Mutter, ob es Mimmi mitnehmen dürfe. Aber die wollte nichts davon hören.

Als die drei Menschen schließlich gegangen waren, bedankte sich Elsa bei Mimmi, weil sie durch sie endlich einen Menschen getroffen hatte, der ihre schwarze Wolle wirklich mochte. Aber sie war auch sehr traurig, dass die kleine, schwarze Katze immer noch kein richtiges Zuhause gefunden hatte. Doch dann hatte sie eine Idee.

„Du könntest doch mit uns nach Hause fahren, wenn die Zeit der lebendigen Krippe vorbei ist und der warme Stall wieder abgerissen wird. Bei uns gibt es einen schönen, warmen Stall, in dem es immer wieder Ratten und Mäuse gibt. Und die Enkelkinder des Schäfers waren zu der dreifarbigen Katze, die bis zum Herbst auf dem Hof gelebt hat, sehr freundlich. Sie haben viel mit ihr gespielt und ihr manche Leckerei zugesteckt.“

„Aber ich bin doch keine dreifarbige Glückskatze, sondern nur ein mickriger, schwarzer Streuner. Und die anderen Tiere werden mich nicht akzeptieren.“

„Aber wir sind immerhin zu zweit!“

Aber natürlich konnte Elsa Mimmi sehr gut verstehen. Und so redeten sie nicht weiter darüber.

Und dann kam der Tag, an dem der Weihnachtsmarkt zu Ende war. Weigand führte seine Schafe über den Platz, auf dem viele Menschen damit beschäftigt waren Stände und Fahrgeschäfte abzubauen. Er lud die Herde in seinen Hänger. Und Elsa dachte traurig daran, wie sehr sie Mimmi vermissen würde, als sie plötzlich spürte, wie die kleine, schwarze Katze auf ihren Rücken sprang und sich an ihrer Wolle festhielt.

Bella blökte sehr ungehalten: „Dieses kleine, schwarze Mistvieh von Katze muss aber ‚raus!“ Doch da schlug Weigand einfach die Klappe des Anhängers zu. Und als der Schäfer auf seinem Traktor gestiegen war, und sie durch die winterliche Landschaft nach Hause fuhren, war wirklich Weihnachten.

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Die Paula bei Substack

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Paula Grimm

Die blaue Stunde im Capannina Kerken I.

Das Jahr 2019 hielt zwei literarische Highlights für mich bereit. Denn ich durfte zweimal aus meinem Buch Felicitas lesen. Einmal in meinem Wohnort Kerken. Und das zweite Mal bei der LBM in Leipzig.

Zur LBM muss ich sagen, dass ich gern wieder dorthin möchte. Allerdings war die Lesesituation auf der Bühne mitten im Messetrubel alles Andere als ideal.

Doch in diesem Beitrag geht es um die erste Lesung am 09. Februar 2019 im Capannina Kerken.

Mein Titel war die blaue Stunde. Und warum das in vielerlei Hinsicht passte, könnt Ihr im Mitschnitt selbst hören.

Zeitlich passte der Titel auch. Denn die blaue Stunde war ja in den Salons in früheren Zeiten, die Zeit am späten Nachmittag, die bis in den Abend übergeht.

Das Capannina war ein Lokal von der Art, die die Bezeichnung Gasthaus vollumfänglich und zurecht verdienen.

Bedauerlicherweise führen Sonja und Siggi dieses Gasthaus seit dem 01.01.2024 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr. Aber schon damals, vor nunmehr sechs Jahren, waren sie längst Freunde geworden.

Bilder habe ich leider von dieser Lesung nicht. Doch vielleicht könnt Ihr Euch den Raum mit etwa 30 Plätzen, einem stilvoll mit Kerzen und blauen Farbakzenten denken. Und langsam wurde es draußen dunkel.

Hier kommt der erste Teil der Lesung aus Felicitas vom Nachmittag des 09. Februar 2019.

Ich wünsche Euch gute Unterhaltung.Blaue Stunde1

Und hier kannst Du alles Wissenswerte über den Roman Felicitas erfahren: Felicitas: Die ersten sieben Leben eines Pumas

Die blaue Stunde im Capannina Kerken – Teil II.

Da es eine volle Stunde war, enthalte ich Euch natürlich nicht vor, was in der blauen Stunde im Capannina geschah.

Ich wünsche Euch auch damit gute Unterhaltung!
Blaue Stunde2
Und unter dem folgenden Link kannst Du die wichtigsten Informationen über den Roman finden:Felicitas: Die ersten sieben Leben eines Pumas